Meine
Urgroßmutter
Gern denke ich zurück an meine Kindheit. Meine Großmutter war ein denkwürdiger Teil davon und mit ihr die Schürze, die sie immer trug. Sie war kariert und abgetragen und reichte bis über die Knie. Sie besaß sicher mehrere davon, obwohl es mir schien als trüge sie immer ein und die selbe. Bevor ihr Tagwerk begann, strich sie sie mit faltigen Händen als wollte sie sagen, nun kann der Tag beginnen. Ich habe die Schürze geliebt. An ihrem Zipfel konnte ich mich festhalten, wenn wir in den dunklen Keller gingen und mir nicht ganz geheuer war. Derselbe Zipfel wischte meine Tränen ab, wenn ich mir weh getan hatte und er diente auch als Taschentuch. Sie hatte zwar immer ein reines Taschentuch dabei, doch das wurde für Notfälle aufgehoben und selten benutzt. Der Schürzenzipfel war besser, um den Schweiß von der Stirn zu tupfen und die Hände abzuwischen oder auch um Fliegen zu verjagen. Die Schürze glich einem Wunder , denn sie konnte fast alles. In ihr waren die Schlüssel, die ich vergessen hatte mit in die Schule zu nehmen. Sie diente als Apfelkorb und Gemüsetrage, half mir bei den Hausaufgaben indem sie die Tintenflecken beseitigte, die mein Heft zierten. Bei plötzlichen Regengüssen war Omis Schürze ein klasse Regenschirm. Topflappen brauchte meine Großmutter nie, sie hatte die Schürze, die war viel praktischer und man musste nie suchen . Die heißen Topfdeckel fasste sie damit an und die dampfenden Suppentöpfe, die sie uns auf den Tisch trug. Uns Kindern erschien die Schürze wie eine Wundertüte, aus der im Frühjahr die Küken und kleinen Kätzchen, im Sommer die ersten Äpfel, im Herbst die Birnen und Nüsse gezaubert wurden. Und erst die Schürzentasche, da war immer ein Groschen drin, ein Hustenbonbon oder Kaugummi, ein Stift, den wir zum malen brauchten und auch der Knopf, den wir nirgends finden konnten. Wenn ich so an meine Großmutter denke, dann frage ich mich, was meine Kinder oder Enkelkinder eines Tages von mir in Erinnerung behalten werden - wahrscheinlich meine Jeans. Wenn meine Großmutter abends die Schürze auszog, trank sie ein Glas Bier erzählte von damals und ab und zu sang sie in altem " Kasseläner Dialekt" mit hoher Stimme zur Begleitung des Schifferklaviers ein Lied vom alten Kassel. Wie Kassel noch en ahles Nest Wie Kassel noch en ahles Nest - das äß schond lange her - die
Fulda damals "Fulle" hieß, das weiß mer bald nit mehr. ||: Hol dri o, Hol dri a, hlo dri al la la la la : || (drei
mal) De Wecke war`n in friehrer Zitt bienoh nochmo so groß. De Biere, die mer frieher trunk, die wurren erscht gekocht. In Zwehren gab's biem Friedenstein ne Brotworscht - Un jeder Birjer schlachtete zu der Zitt noch sin Schwinn. Am zweiten Pingestdaach, dann gunk's do nuff noh
Willhelmsheeh! Un wor erscht mo der Wenter do: wie daten alle strahlen! Uff jeder Gosse - eins, zwei, drei - do gungk's Uch wie'n
Gewitter! Der ahle, scheene Keenigsplatz - wie wor der hibsch vor
Zieten! Wann das de sel'je Dibbenfrau noch dät mit ahne sehen,
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